Wie passt Weißwein zum Wild

Zu Wild gehört Rotwein – so lautet die klassische Empfehlung seit Jahrzehnten und länger. Doch stimmt das wirklich? Christoph Hattinger, als Sommelier im renommierten Haubenrestaurant „Fischerwirt“ in Salzburg-Liefering tätig, sieht das als Fachmann freilich differenzierter. In seiner Arbeitsstätte, wo traditionelle österreichische Küche mit französischen Einflüssen verschmilzt und Wildgerichte eine große Rolle spielen, plädiert er für mehr Offenheit. Und erklärt im Interview mit jagdfakten.at: Auch kräftige Weißweine können die perfekte Begleitung sein.
Herr Hattinger, klassisch gilt: Zu Wild gehört Rotwein. Warum hält sich dieses Vorurteil so hartnäckig – und was spricht dafür, es zu hinterfragen?
Ich würde das jetzt nicht Vorurteil nennen, es ist vielmehr eine Tradition. Es gibt ja immer einen Grund, warum sich Dinge entwickeln. Früher, als diese Regeln entstanden sind, war die Küche eine andere – schwerer, kräftiger, mit intensiven Saucen. Da passte Rotwein perfekt dazu. Heute aber wird Wild viel feiner zubereitet, moderner präsentiert, oft leichter. In diesem Kontext ist es absolut richtig, die Regel zu hinterfragen. Denn es gibt viele Gerichte, zu denen Weißwein besser passt als roter.
Und bei welchen Gerichten ist nun Weißwein nicht nur eine Alternative, sondern vielleicht sogar die bessere Wahl?
Ein Beispiel sind Terrinen vom Wild. Hier braucht man die Säure des Weißweins, um das Fett auszubalancieren. Da passt ein kräftiger, vielleicht leicht restsüßer Weißwein oft besser als ein Rotwein. Generell ist es wichtig, nicht nur an dunkles Wild zu denken. Bei hellem Wildbret wie Fasan oder Rehkitz ist Weißwein oft die spannendere Wahl. Manchmal darf es auch ein dunkles Bier sein, das überraschend gut harmoniert.
Welche Rolle spielt die Zubereitungsart – etwa gebraten, geschmort, gegrillt – bei der Wahl zwischen Rot- und Weißwein?
Die Zubereitungsart ist ein ganz entscheidender Faktor – und oft unterschätzt. Habe ich kräftige Röstaromen vom Grillen, dann brauche ich im Wein etwas mit Struktur, Tannin oder Holz, um das aufzufangen. Wird ein Fasan dagegen sanft pochiert, verlangt er nach einer ganz anderen Begleitung – etwas Feineres, Leichteres. Ich sage immer: Die Art der Zubereitung ist mindestens so wichtig wie die Beilage. Viele haben das gar nicht am Schirm, aber es ist für die Weinwahl absolut zentral.
Foto: Christoph Hattinger, Sommelier – Haubenrestaurant „Fischerwirt“
Wenn Weißwein, dann nicht jung und spritzig
Weißwein wird oft mit „leichter Küche“ verbunden. Wie schaffen kräftige Weißweine den Spagat zu Wild?
Wichtig ist: wenn Weißwein, dann nicht jung und spritzig. Solche Weine bringen zu viel Säure mit und wirken unpassend. Gefragt sind dichte, vollmundige Weißweine mit Struktur, gerne auch mit Holzeinsatz. Das Holz bringt Gerbstoffe, die man sonst eher vom Rotwein kennt, und rundet das Geschmacksbild ab. So können Weißweine genauso kraftvoll auftreten wie Rotweine – nur eben auf andere Art.
Bei hellem Wildbret aus Gatterhaltung wie Rehkitz, Hirschkalb oder Fasan: Welche Weißweine harmonieren hier besonders gut – und warum?
Ein klassischer Grüner Veltliner Smaragd aus der Wachau ist eine tolle Wahl, ebenso kräftige autochthone Sorten. Aber ganz wichtig: Reife! Ein Weißwein sollte hier fünf Jahre oder älter sein, um seine Säure einzubinden und komplexere Noten zu entwickeln. Auch Weine mit oxidativen Noten, etwa ein weißer Rioja oder ein Wein aus dem französischen Jura, sind hervorragende Begleiter – gerade, wenn nussige oder pilzige Aromen auf dem Teller sind.
Apropos Pilze: Auch Saucen und Beilagen sind geschmacksprägend. Welche Weißwein-Stile passen zu fruchtigen Wildsaucen, welche eher zu pilzbetonten oder sahnigen Begleitungen?
Fruchtige Saucen mit Preiselbeeren oder Stachelbeeren harmonieren sehr gut mit einem kräftigen Sauvignon Blanc, der vielleicht sogar ein wenig Holz gesehen hat. Er nimmt diese Aromen auf und verstärkt sie. Bei cremigen Saucen mit Pilzen oder Nüssen sind gereifte Weißweine mit oxidativen Noten perfekt. Ein weißer Rioja ist hier eine tolle Wahl. Und manchmal empfehle ich sogar einen kleinen Schluck Madeira dazu – das hat man selten am Schirm, aber es funktioniert großartig, gerade parallel zu einem Wein.
gereifte Weißweine, gereifter Schaumwein oder kräftiger Sekt
Kann auch die Jahreszeit bei der Weinwahl eine Rolle spielen – etwa frische Weißweine im Herbst oder gereifte, vollmundige Weißweine im Winter?
Ja, ganz klar. Temperatur, Stimmung, Jahreszeit – all das beeinflusst die Wahl. Im Sommer kann man gerne zu einem kräftigen Rosé greifen, der fast in die Richtung Rotwein geht. Es gibt tolle Vertreter aus der Provence oder Spanien, die das perfekt abbilden. Im Winter dagegen darf es üppiger sein – gereifte Weißweine, oxidative Noten, vielleicht sogar ein gereifter Schaumwein oder ein kräftiger Sekt. So hat man die gewünschte Frische, aber ohne die spitze Säure junger Weißweine.
Welche autochthonen österreichischen Weißweine sehen Sie als besonders spannend in der Wildbegleitung?
Zierfandler und Rotgipfler sind tolle Sorten mit viel Potenzial, ebenso ein Chardonnay aus der Südsteiermark. Wichtig ist hier wieder die Reife – junge Weine sind für Wild nicht ideal. Interessant finde ich auch die Entwicklung bei vielen Winzern, die beim Holzeinsatz sensibler geworden sind. Früher war das Holz oft sehr dominant, heute wird es subtiler eingesetzt, sodass die Weine frischer bleiben und vielseitiger kombinierbar sind.
Abschließend eine persönliche Frage: Haben Sie ein Lieblingsbeispiel, bei dem ein Weißwein in der Wildbegleitung ein unerwartetes Aha-Erlebnis ausgelöst hat?
Ja, bei einem Gericht mit Fasan und Pilzvariationen. Wir haben dazu einen gereiften Schaumwein serviert, einen 1985er Dom Pérignon, kombiniert mit einem kleinen Schluck Madeira. Das war eine großartige Kombination: Der Schaumwein brachte Frische, der Madeira Tiefe und Kraft. Viele Gäste waren überrascht, wie harmonisch das funktioniert – und genau solche Momente liebe ich. Sie zeigen, dass Weinbegleitung nicht starr ist, sondern voller spannender Möglichkeiten.
Ein Beitrag von U. Macher | Jagdfakten.at Redaktion | Foto Credits: Christoph Hattinger, Unsplash, OÖ LJV