Von Schulterscherzl bis Rehpfeffer: Wild in der Küche
Wildbret ist mehr als nur Steak und Gulasch. Was unsere Wildküche alles kann – und warum Jägerlatein wirklich gut schmeckt.
Was ein Hirschragout ist, muss man den meisten Menschen hierzulande nicht erklären – oder? Also gut: Bei diesem Klassiker der österreichischen Küche handelt es sich um geschmortes Hirschfleisch in einer kräftigen dunklen Sauce. So vertraut diese Beschreibung auch klingen mag: Aus welchem Teil des Hirsches ein solches Ragout zubereitet wird, ist schon weniger leicht zu beantworten. Auflösung: Es sind gleich mehrere Teile, die dafür infrage kommen. Allen gemeinsam ist, dass es durchwachsene, sehnigere Stücke sind, die durch langes Schmoren besonders zart und aromatisch werden. Konkret: die Schulter, der Hals, die Unterschale oder die Brust.
Allein das Beispiel des Hirschragouts zeigt: Über Wildbret – so nennt man Wildfleisch, welches durch die Jagd gewonnen wird – weiß der durchschnittliche Österreicher erstaunlich wenig. So darf – auch das wissen nicht alle – Fleisch aus Gatterhaltung, sprich: aus landwirtschaftlicher Wildhaltung, gar nicht als „Wildbret“ bezeichnet werden.
So oder so: Folgende Beispiele zeigen, wie vielfältig die Wildbretküche hierzulande sein kann.
Hasenrücken:
Ein mageres Fleischstück vom Feldhasen – bei der breiten Masse zu Unrecht noch zu unbekannt.
Generell gilt: Feldhasen haben dunkleres, aromatischeres Fleisch als Kaninchen – viele verwechseln die beiden Fleischarten nur allzu oft. Feldhasenfleisch hat einen intensiverem Wildgeschmack, das Fleisch ist fester und eignet sich besonders für kurzgebratene Gerichte – bestes Beispiel: der Rücken. Das Fleisch sollte nur kurz gebraten werden, idealerweise wird es nicht entbeint, weil der Knochen in der Hitze noch zusätzlich Geschmack ins Fleisch abgibt. Ideal sind acht bis zwölf Minuten bei hoher Hitze und mit häufigem Wenden. Die Kerntemperatur für rosa liegt bei 55–58 Grad Celsius (wer einen Temperaturmesser hat – hier unbedingt anwenden, es lohnt sich!). Klassische Begleiter sind kräftige Saucen, mit Rotwein oder Preiselbeeren verfeinert.
Fasanbrust:
Es muss nicht immer Ente sein – Das Brustfleisch vom Fasan hat einen milden, leicht nussigen Geschmack, der intensiver wird, je älter der Vogel ist.
Bei der Fasanenbrust handelt es sich um ein zartes und mageres Fleischstück, das sich durch einen milden, leicht nussigen Geschmack auszeichnet. Sie wird oft kurz angebraten oder gegrillt, um ihre Saftigkeit zu bewahren. Eine klassische Zubereitung ist das Servieren mit einer kräftigen dunklen Sauce mit etwas Säure (Weißwein oder weißen Essig dazugeben!). Bodenständiger, aber genauso passend ist eine fruchtige Preiselbeersauce. Fasanenbrust sollte unbedingt rosa gegart werden, um ihre Zartheit zu erhalten.
Rehpfeffer:
Geschmortes Wildragout vom Reh.
Wie alle Wildragouts wird auch dafür das Fleisch von der Schulter, dem Hals oder der Brust verwendet. Meist wird das Fleisch vor dem Schmoren in einer kräftigen Marinade aus Rotwein, Essig, Wurzelgemüse und Gewürzen eingelegt. Dadurch wird es zart und schmeckt weniger nach intensivem Wild. Nach dem Marinieren wird es langsam – also mehrere Stunden – geschmort. Immer mit dabei: Speck. Der ist für die geschmackliche Abrundung eines „Pfeffers“ essenziell. Wissenswert: Für das Binden der Sauce wurde traditionell das Blut des erlegten Tieres verwendet. Heute nehmen nur noch versierte Köchinnen und Köche als Alternative Schweineblut. Das Abbinden der Sauce kann der Einfachheit halber mit Butterflocken oder Stärke nach eigener Fasson erfolgen. Für die geschmackliche Abrundung kann Schokolade für die Tiefe im Gericht und eine leichte Süße sorgen. Übrigens: Es gibt auch Hasenpfeffer! Das wird gleich zubereitet wie Rehpfeffer – nur eben mit Feldhasenfleisch, wobei hier auch gerne Innereien wie Herz und Leber in den Topf kommen.
Schmorbraten vom Schwarzwild:
Wildbret von Wildschweinen eignet sich hervorragend zum Schmoren.
Das Fleisch ist dunkler, fester und stärker marmoriert als das von Hausschweinen. Gerichte aus Wildschweinfleisch haben durchaus Zukunftspotenzial: Noch nie gab es in Österreich so viele Wildschweine wie heute – wie viele genau, weiß jedoch niemand und kann nur von der Jägerschaft abgeschätzt werden. Aufgrund des höheren Fettgehalts eignet sich im speziellen dasFleisch der weiblichen Tiere vor allem zum Schmoren für Gerichte mit längeren Garzeiten, heißt: für Ragouts, Gulasch oder Braten. Eine Marinade aus Rotwein, Essig (aber nur bedingt!), Wurzelgemüse und Gewürzen mildert den intensiven Geschmack und macht das Fleisch zarter.
Wildschweinzunge:
Ein seltenes, aber sehr delikates Stück des Wildschweins, das in der gehobenen Küche Tradition hat. Am besten direkt beim Jäger bestellen. Oft wird die Zunge nicht ausgelöst.
Die Wildschweinzunge wird – genauso wie andere Zungen – oft gepökelt, und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens dient das Pökeln der Haltbarmachung, zweitens der Geschmacksverfeinerung. Letztere wird durch die Würzung und die Veränderung der Fleischstruktur erreicht. Daraufhin wird die Zunge in der Regel langsam und niedriger Temperatur gekocht, bis sie weich ist und eine wunderbar zarte Textur erreicht. Anschließend kommt sie gerne in einen Aspik – also eine gelierte Flüssigkeit aus Wildbrühe, Gelatine und Gewürzen. Das verleiht ihr eine elegante Präsentation, die jedoch mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommen ist und nicht mehr allen schmeckt – einfach, weil Aspik oft als etwas Galliges wahrgenommen wird. Moderner: Die Zunge in Scheiben schneiden und mit einer würzigen Senf- oder Kräutersauce servieren!
Schulterscherzl oder Schaufelbraten:
Ein Braten aus der Schulter bzw. dem sogenannten Schaufelstück – einer alten Bezeichnung für die Schulter, auch Blattschaufel beim Reh, Hirsch und Wildschwein genannt.
Küchenprofis sind sich seit Jahrhunderten einig: Die Schulter gehört entweder als Braten serviert – oder als Schmorgericht. Es ist ein längliches, von sehnen durchzogenes, feinfaseriges, saftiges Fleisch mit gallertartigem Kern. Besonders eignet es sich zum Kochen, Dünsten oder Schmoren im Ganzen. Richtig zubereitet, ist es genauso kräftig wie ausbalanciert im Geschmack.
Diese ausgewählten Beispiele zeigen deutlich: Die Wildbret-Küche ist ein eigener kulinarischer Kosmos, der seit Jahrhunderten Teil unserer Kultur ist. Gerade in Zeiten, in denen der Nachhaltigkeit unseres Fleischkonsums eine hohe Priorität zugeschrieben wird, besteht für Wildbret aber auch die Chance, in alltäglichere Gerichte Einzug zu erhalten. So spricht etwa nichts gegen ein „Allerweltsgericht“ wie Spaghetti Bolognese mit Wildschweinfaschiertem , das sich für diese Form der Saucen hervorragend eignet. Dasselbe gilt für ein Butterschnitzel – das nichts von seiner kulinarischen Strahlkraft verlieren würde, wenn es vom Rotwildkalb stammt.
Die Beispiele, die hier angeführt werden könnten, sind schier endlos – und beweisen: So tiefverankert Wildbret in unserer Kultur auch sein mag, es wird sich aller Voraussicht nach in den Küchen unseres Landes stärker als je zuvor weiterentwickeln – und womöglich einen größeren Platz in unseren Essegwohnheiten einnehmen, als wir uns das heute noch vorstellen können.
Ein Beitrag von L. Palm | Jagdfakten.at Redaktion | Foto Credits: Pixabay